Sonntag, 4. August 2013

Bild/Ton/Text: Ein medienübergreifender Fotobildband zu Ennio Morricone


earBOOKS: Ennio Morricone

Ennio Morricone zählt fraglos zu den bedeutendsten Filmkomponisten unserer Zeit. Unvergessen sind die Kompositionen, die der heute 84-Jährige in den 1960er-Jahren für Sergio Leones Italowestern schrieb und die ihn schlagartig zu einem der begehrtesten Filmkomponisten Europas machten. Seine revolutionäre Filmmusik zu "Per un pugno di dollari" (Für eine Handvoll Dollar"; 1964), eine eingängige Fusion aus Stilelementen der Popmusik, der Avantgarde und folkloristischer Traditionen, wurde schnell zum Modell für unzählige nachfolgende Western. Mit seinem leitmotivischen Filmscore zu dem oft als opernhaft bezeichneten Westernklassiker "C'era una volta il West" ("Spiel mir das Lied vom Tod") schuf der klassisch ausgebildete Komponist 1968 schließlich einen Meilenstein der Filmmusikgeschichte, der maßgeblich zum Erfolg des Films beitrug.


Wegen dieser oft kopierten Soundtracks wird der 1928 in Rom geborene Morricone oft nahezu exklusiv mit seinen knapp 30 Filmmusiken für europäische Western assoziiert. Längst sind diese Filme, in besonderem Maß auch Morricones Soundtracks ein bedeutender Teil der Popkultur geworden. Unzählige Hollywoodproduktionen, zuletzt etwa Gore Verbinskis "The Lone Ranger", Quentin Tarantinos Italowestern-Remix "Django Unchained", aber auch Erfolgskomponisten wie Hans Zimmer, Klaus Badelt und Marco Beltrami zitieren den italienischen Maestro. Tatsächlich hat Morricone in seiner außergewöhnlich produktiven Karriere seit 1961 die Filmmusik für mehr als 350 Kinofilme komponiert. Zählt man seine Kompositionen für Kurz- und Dokumentarfilme, Fernsehfilme und -serien sowie die Filme hinzu, in denen nur einzelne seiner Stücke Verwendung fanden, so ergibt sich eine Zahl von etwa 500 Kino- und Fernsehproduktionen. In besonders produktiven Jahren, etwa 1972, wurden mehr als zwanzig Kinofilme uraufgeführt, denen Morricone durch unverkennbare Melodien und innovative Instrumentierung seinen Stempel aufgedrückt hat. Kein Genre hat der Komponist dabei ausgelassen: Western und Thriller, Kriminalfilme und Melodramen, Komödien und Sexfilme, Horror und Science-Fiction, aber auch unzählige Kunstfilme von Autorenfilmern wie Bernardo Bertolucci, Pier Paolo Pasolini, Elio Petri und Lina Wertmüller finden sich in Morricones Discografie, deren stilistischer Reichtum von avantgardistischen Klangexperimenten bis zu traditionellen symphonischen Orchestermusiken reicht. Letztlich stand Morricone, der bis heute komponiert und dirigiert, insbesondere in den 1960er- und 70er-Jahren fast exklusiv für den "Sound" des italienischen Kinos.


Angesichts dieses vielfältigen Œuvres verwundert es kaum, dass Musikläden und Internetanbieter heute eine schier unüberschaubare Anzahl von Best-of-Kompilationen und Soundtrack-Alben mit Morricones Filmmusiken anbieten. Auf dem deutschen Buchmarkt jedoch ist Morricones Schaffen – sieht man einmal von einer im Jahr 2000 erschienen musikwissenschaftlichen Studie von Sergio Miceli und einzelnen filmwissenschaftlichen Aufsätzen ab – bislang kaum gewürdigt worden. Die kürzlich bei dem Label "earBOOKS" erschienene Kombination aus Fotobildband, Essay und Soundtrack-Album füllt dementsprechend eine Lücke. Auf hochwertigem Papier gedruckt, mit vielen klug ausgewählten, bisweilen seltenen Fotos und Reproduktionen von Filmplakaten, einem kenntnisreichen Aufsatz von Sergio Miceli und vier Musik-CDs ausgestattet, hat der Verlag einen medienübergreifenden Prachtband vorgelegt, der in Hardcover und im Schallplattenformat als luxuriöses "Coffee Table Book" daherkommt. Die Auswahl der insgesamt 55 Musiktracks auf den vier CDs deckt dabei das gesamte Spektrum von Morricones Kinoschaffen ab und bietet neben den obligatorischen klassischen Themen des Maestros auch einige eher obskure Ausgrabungen, die selbst Morricone-Aficionados noch nicht kennen dürften. Einzige Mankos dieser gelungenen Veröffentlichung sind die deutsche Übersetzung von Micelis lesenswertem Essay, die bisweilen etwas holprig ausgefallen ist, und vereinzelt falsche Bildlegenden. Trotz dieser kleinen Wermutstropfen ist das luxuriöse "Ohrenbuch" eine rundum gelungene Veröffentlichung, deren Preis mit knapp 40 Euro zwar nicht günstig, doch angesichts der hochwertigen Umsetzung voll gerechtfertigt ist.

Diese Rezension ist zuerst erschienen auf br.de/KinoKino

Daten:
Ennio Morricone (Fotobildband inkl. 4 Musik-CDs)
earBOOKS, erschienen im Juni 2013
edel / optimal Media
136 Seiten, zahlreiche Abb., 4 CDs, Format: 28,8 x 28,4 cm


Und hier zum Einstimmen drei auf Youtube befindliche Morricone-Stücke:





Keine Kommentare: