Sonntag, 25. Januar 2015

Für ein paar Hochglanzbilder mehr: „Dreckige Spaghetti“ im Hannibal-Verlag




Buchrezension
Uwe Killing: Dreckige Spaghetti – Die glorreiche Geschichte des Italo-Western

Die unter Bezeichnungen wie Western allitaliana, Italowestern oder Spaghetti-Western subsumierten Eurowestern der 1960er und 70er Jahre stellen das wohl letzte (Sub-)Genre dar, mit dem europäische Produzenten auch auf den internationalen Märkten mit B- und C-Filmen reüssieren konnten. Diese goldene Ära des europäischen Genrekinos ist lange schon vorbei, auch wenn Quentin Tarantinos Italowestern/Southern-Remix „Django Unchained“ (2012) in den ehemaligen Koproduktionsländern der Italowestern – Italien, Deutschland und Frankreich – unverschämt erfolgreich lief. Der europäische Genrefilm lebt heute, abgesehen von Ausnahmen wie dem französischen Polar, bestenfalls im Fernsehen weiter, wo Autoren wie Dominik Graf, für den der TV-Krimi erklärtermaßen ein Substitut des B-Films ist, tatsächlich immer wieder Großes zu leisten vermögen.

Da freut man sich schon aus nostalgischen Gründen, ein neues Buch zum Italowestern in den Händen zu halten, selbst wenn es den ausgesprochen scheußlichen Titel „Dreckige Spaghetti“ trägt. Erschienen ist es im auf Popkultur, Stars und Sternchen abonnierten Hannibal-Verlag, in Hardcover, selbstverständlich in Farbe, gedruckt auf schwerem Glanzpapier, knapp 250 Seiten im Umfang. Obendrein ist Uwe Killings Buch im Breitwandformat gehalten – ein Gag, der allerdings etwas auf Kosten der Lesbarkeit geht. Denn das Blättern in dem luxuriösen, mit 50,- Euro arg teuer ausgefallenen Band gestaltet sich dank des ungewöhnlichen Formats etwas schwierig. Egal, „Dreckige Spaghetti – Die glorreiche Geschichte des Italo-Western“ ist offensichtlich als Coffee-Table-Book konzipiert, als Bilderbuch, das unzählige, oft klug ausgewählte Reproduktionen von Film-Stills und Aushangfotos enthält und damit durchaus filmhistorischen Wert besitzt. Ein Reprint des illustrierten film-Kuriers Nr. 105, einem zur deutschen Premiere von „Per qualche dollaro in più“ („Für ein paar Dollar mehr“; 1965) erschienen Programmheft, liegt ebenfalls bei. Das im A3-Format gehaltene Poster, das sich unter der Überschrift „Die Blüte des Italowestern“ an einem Stammbaum des Western allitaliana versucht (genaugenommen, an einem Stamm-Kaktus des Genres), ist jedoch in seiner Auswahl und Kategorisierung etwas willkürlich ausgefallen.


Als wenig ergiebig erweisen sich leider die Ausführungen des Autors zum Gegenstand seines Werks. Brav referiert Killing Allgemeinplätze zum Western allitaliana: Peplum und Karl-May-Film als Vorläufer der Westernwelle, die Auswirkungen des Eurowestern auf das vermeintlich „amerikanische Genre par excellence“, Serienhelden wie Django und Sartana, bedeutende Schauspieler und Regisseure des Subgenres etc. pp. Wer halbwegs vertraut ist mit der Formel – also die neuen und alten Fans des Genres, an die sich das Buch fraglos richtet – der erfährt hier nichts Neues. Und das, was referiert wird, ist leider weder kompetent recherchiert noch sonderlich gut geschrieben. Wirklich ärgerlich sind die unzähligen Flüchtigkeitsfehler, die im krassen Gegensatz zur luxuriösen Verpackung stehen. Da wird etwa der Set-Designer Carlo Simi, der Wesentliches zum Genre beigetragen hat, in Carlo Sini umgetauft („A Man Called Sini?“); Rory Calhoun wird zu Calhoum und Leones Vater Vincenzo zu Vincente (S. 12, 13, 25). Über Clint Eastwoods Auftritt in Jack Arnolds „Tarantula“ (1955) heißt es, dass dieser dort als Bomberpilot „sein Napalm auf die Invasion der Riesenspinnen abfeuern darf“ (S. 24), dabei gibt es in Arnolds Klassiker nur eine einzige, wenn auch monströse Spinne. Anthony Manns Totalverriss von Leones Western, über deren hässliche Gesichter sich der US-Regisseur mokierte, wird bei Killing zu einem bewundernden Lob (S. 33). Über die als Peplum bekannten italienischen Sandalenfilme wiederum erfahren wir: „'Peplum' heißt im Italienischen so viel wie prachtvolles Gewand“ (S. 189), was natürlich totaler Unsinn ist und die Frage aufwirft, warum der Autor solche Details nicht zumindest durch eine kurze Internet-Recherche überprüft hat. Hätte er das getan, würde er wissen, dass sich der Terminus auf das griechische peplos bezieht, der Begriff als Genrebezeichnung von den Franzosen geprägt wurde und die italienische Sprache das Wort schlicht nicht kennt. Nicht einmal den Inhaltsangaben von Schlüsselfilmen kann man trauen. So heißt es über Leones „Giù la testa“ („Todesmelodie“; 1971), der während der Mexikanischen Revolution im Jahr 1914 spielt, „der Film […] behandelte den amerikanischen Bürgerkrieg“; über „Once Upon a Time in America“ („Es war einmal in Amerika“; 1984), Leones Epos über die jüdischen Gangster der Ostküste, erfahren wir, es sei „eine monumentale Saga über die Mafia und das Leben italienischer Einwandererfamilien“ (beide Zitate: S. 182).


Sicherlich, für sich genommen sind solche Schnitzer Kleinigkeiten, aber wenn sich viele solcher Fehler ansammeln, entsteht der Eindruck von Schlampigkeit. Ärgerlich sind obendrein einige nicht gekennzeichnete Übernahmen aus anderen Werken. So scheinen die Überlegungen auf S. 44 von S. 107-108 meines 2009 erschienenen Buchs Sergio Leone – Es war einmal in Europa „inspiriert“ zu sein. Dabei wurde auch ein von mir auf Englisch angeführtes Zitat des US-amerikanischen Film- und Literaturwissenschaftlers Dennis Bingham inklusive Anführungszeichen übernommen (und übersetzt), doch ohne Quellenangabe oder Hinweis auf den Autor bleibt nun unklar, vom wem das Zitat stammt und warum es hier steht. Nix für ungut, aber so geht das nicht. Wie Hohn mutet es da an, wenn im Impressum ein verkniffener Copyright-Hinweis steht, der darüber belehrt, dass „kein Teil dieses Buchs […] in irgendeiner Form […] reproduziert“ werden darf und „der Autor […] sich mit größter Sorgfalt darum bemüht [hat], nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen.“ Alles in allem erweckt Dreckige Spaghetti einen zwiespältigen Eindruck. Die Stärke des Buchs bleiben die als Schauwerte dargebotenen Bilder. Aber dann wäre es vielleicht besser gewesen, gleich einen reinen Bildband zu veröffentlichen.


Dieser Text ist zuerst erschienen in Splatting Image Nr. 93, März 2013

Uwe Killing: Dreckige Spaghetti – Die glorreiche Geschichte des Italo-Western. Hannibal Verlag, Höfen 2013. Hardcover, 250 Seiten, 49,99 Euro

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