Buchrezension
Uwe Killing: Dreckige Spaghetti – Die glorreiche Geschichte des
Italo-Western
Die unter Bezeichnungen wie Western all’italiana, Italowestern
oder Spaghetti-Western subsumierten
Eurowestern der 1960er und 70er Jahre stellen das wohl letzte (Sub-)Genre dar,
mit dem europäische Produzenten auch auf den internationalen Märkten mit B- und
C-Filmen reüssieren konnten. Diese goldene Ära des europäischen Genrekinos ist lange
schon vorbei, auch wenn Quentin Tarantinos Italowestern/Southern-Remix „Django
Unchained“ (2012) in den ehemaligen Koproduktionsländern der Italowestern – Italien,
Deutschland und Frankreich – unverschämt erfolgreich lief. Der europäische
Genrefilm lebt heute, abgesehen von Ausnahmen wie dem französischen Polar, bestenfalls
im Fernsehen weiter, wo Autoren wie Dominik Graf, für den der TV-Krimi
erklärtermaßen ein Substitut des B-Films ist, tatsächlich immer wieder Großes
zu leisten vermögen.
Da freut man sich schon aus nostalgischen Gründen, ein neues Buch zum Italowestern in den Händen zu halten, selbst wenn es den ausgesprochen scheußlichen Titel „Dreckige Spaghetti“ trägt. Erschienen ist es im auf Popkultur, Stars und Sternchen abonnierten Hannibal-Verlag, in Hardcover, selbstverständlich in Farbe, gedruckt auf schwerem Glanzpapier, knapp 250 Seiten im Umfang. Obendrein ist Uwe Killings Buch im Breitwandformat gehalten – ein Gag, der allerdings etwas auf Kosten der Lesbarkeit geht. Denn das Blättern in dem luxuriösen, mit 50,- Euro arg teuer ausgefallenen Band gestaltet sich dank des ungewöhnlichen Formats etwas schwierig. Egal, „Dreckige Spaghetti – Die glorreiche Geschichte des Italo-Western“ ist offensichtlich als Coffee-Table-Book konzipiert, als Bilderbuch, das unzählige, oft klug ausgewählte Reproduktionen von Film-Stills und Aushangfotos enthält und damit durchaus filmhistorischen Wert besitzt. Ein Reprint des illustrierten film-Kuriers Nr. 105, einem zur deutschen Premiere von „Per qualche dollaro in più“ („Für ein paar Dollar mehr“; 1965) erschienen Programmheft, liegt ebenfalls bei. Das im A3-Format gehaltene Poster, das sich unter der Überschrift „Die Blüte des Italowestern“ an einem Stammbaum des Western all’italiana versucht (genaugenommen, an einem Stamm-Kaktus des Genres), ist jedoch in seiner Auswahl und Kategorisierung etwas willkürlich ausgefallen.
Als wenig ergiebig erweisen
sich leider die Ausführungen des Autors zum Gegenstand seines Werks. Brav
referiert Killing Allgemeinplätze zum Western
all’italiana: Peplum und Karl-May-Film als Vorläufer
der Westernwelle, die Auswirkungen des Eurowestern auf das vermeintlich „amerikanische
Genre par excellence“, Serienhelden wie Django und Sartana, bedeutende
Schauspieler und Regisseure des Subgenres etc. pp. Wer halbwegs vertraut ist
mit der Formel – also die neuen und alten Fans des Genres, an die sich das Buch
fraglos richtet – der erfährt hier nichts Neues. Und das, was referiert wird,
ist leider weder kompetent recherchiert noch sonderlich gut geschrieben. Wirklich
ärgerlich sind die unzähligen Flüchtigkeitsfehler, die im krassen Gegensatz zur
luxuriösen Verpackung stehen. Da wird etwa der Set-Designer Carlo Simi, der
Wesentliches zum Genre beigetragen hat, in Carlo Sini umgetauft („A Man Called
Sini?“); Rory Calhoun wird zu Calhoum und Leones Vater Vincenzo zu Vincente (S.
12, 13, 25). Über Clint Eastwoods Auftritt in Jack Arnolds „Tarantula“ (1955) heißt
es, dass dieser dort als Bomberpilot „sein Napalm auf die Invasion der
Riesenspinnen abfeuern darf“ (S. 24), dabei gibt es in Arnolds Klassiker nur eine
einzige, wenn auch monströse Spinne. Anthony Manns Totalverriss von Leones
Western, über deren hässliche Gesichter sich der US-Regisseur mokierte, wird bei
Killing zu einem bewundernden Lob (S. 33). Über die als Peplum bekannten italienischen Sandalenfilme wiederum erfahren wir:
„'Peplum' heißt im Italienischen so viel wie prachtvolles Gewand“ (S. 189), was
natürlich totaler Unsinn ist und die Frage aufwirft, warum der Autor solche
Details nicht zumindest durch eine kurze Internet-Recherche überprüft hat.
Hätte er das getan, würde er wissen, dass sich der Terminus auf das griechische
peplos bezieht, der Begriff als Genrebezeichnung
von den Franzosen geprägt wurde und die italienische Sprache das Wort schlicht
nicht kennt. Nicht einmal den Inhaltsangaben von Schlüsselfilmen kann man
trauen. So heißt es über Leones „Giù la testa“ („Todesmelodie“; 1971), der
während der Mexikanischen Revolution im Jahr 1914 spielt, „der Film […] behandelte
den amerikanischen Bürgerkrieg“; über „Once Upon a Time in America“ („Es war
einmal in Amerika“; 1984), Leones Epos über die jüdischen Gangster der Ostküste, erfahren wir, es sei „eine
monumentale Saga über die Mafia und das Leben italienischer Einwandererfamilien“
(beide Zitate: S. 182).
Sicherlich, für sich
genommen sind solche Schnitzer Kleinigkeiten, aber wenn sich viele solcher
Fehler ansammeln, entsteht der Eindruck von Schlampigkeit. Ärgerlich sind obendrein
einige nicht gekennzeichnete Übernahmen aus anderen Werken. So scheinen die
Überlegungen auf S. 44 von S. 107-108 meines 2009 erschienenen Buchs Sergio Leone – Es war einmal in Europa „inspiriert“
zu sein. Dabei wurde auch ein von mir auf Englisch angeführtes Zitat des
US-amerikanischen Film- und Literaturwissenschaftlers Dennis Bingham inklusive
Anführungszeichen übernommen (und übersetzt), doch ohne Quellenangabe oder
Hinweis auf den Autor bleibt nun unklar, vom wem das Zitat stammt und warum es
hier steht. Nix für ungut, aber so geht das nicht. Wie Hohn mutet es da an,
wenn im Impressum ein verkniffener Copyright-Hinweis steht, der darüber
belehrt, dass „kein Teil dieses Buchs […] in irgendeiner Form […] reproduziert“
werden darf und „der Autor […] sich mit größter Sorgfalt darum bemüht [hat],
nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen.“ Alles in allem erweckt
Dreckige Spaghetti einen
zwiespältigen Eindruck. Die Stärke des Buchs bleiben die als Schauwerte
dargebotenen Bilder. Aber dann wäre es vielleicht besser gewesen, gleich einen
reinen Bildband zu veröffentlichen.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Splatting Image Nr. 93, März
2013
Uwe Killing: Dreckige Spaghetti – Die glorreiche Geschichte des
Italo-Western. Hannibal Verlag, Höfen 2013. Hardcover, 250 Seiten,
49,99 Euro
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen