DVD-Rezension
DIE
KOCH MEDIA ITALOWESTERN-ENZYKLOPÄDIE, No. 1
Einen bunten Strauß
Western-Merkwürdigkeiten, die das europäische Populärkino zwischen 1967 und
1970 hervorgebracht hat, bietet die erste Ausgabe der
"Italowestern-Enzyklopädie" von Koch Media mit Filmen wie GENTLEMAN
JO … UCCIDI (SHAMANGO; 1967) von Giorgio Stegani, … E PER TETTO UN
CIELO DI STELLE (AMIGOS; 1968) von Giulio Petroni, I VIGLIACCHI NON PREGANO
(SCHWEINEHUNDE BETEN NICHT; 1969) von Mario Siciliano sowie ROY COLT E
WINCHESTER JACK (DREI HALUNKEN UND EIN HALLELUJA; 1970) von Mario Bava. Der
Begriff Enzyklopädie ist tatsächlich treffend gewählt: Die DVD-Box versammelt
abgesehen von … E PER TETTO UN CIELO DI STELLE eine Reihe eher billig
produzierter, und damit typischer Werke des Subgenres, die als beispielhafte
B-Filme ohne Hierarchisierung und Wertung dargeboten, so etwas wie einen
überblickhaften Ausschnitt des Genres darstellen. In diesem Sinn erfüllt die Edition
tatsächlich die filmhistorische Funktion eines Nachschlagewerks und ist eine
Grundlage für die Forschungsarbeit am Genre durch Filmwissenschaftler und Fans,
denen die eher obskuren Filme hier in durchgängig guter bis sehr guter Qualität
präsentiert werden. Allenfalls eine wirkliche Ausgrabung fehlt vielleicht wie
sie Koch Media z.B. mit der Veröffentlichung von Nando Ciceros gewalttätigem IL
TEMPO DEGLI AVVOLTI (ZEIT DER GEIER; 1967) oder Giulio Petronis Schlüsselwerk
TEPEPA (1969) geleistet hat.
Die Einzelfilme sind in einem
Digipak untergebracht, das in einen Pappeschuber eingefasst ist. Das Design ist
etwas lustlos und komplett ohne Bilder ausgefallen (auch Enzyklopädien dürfen
durchaus Bilder beinhalten, liebe Köche!). Front und Back-Cover liefern (z.T.
im Prägedruck) textbasierte Informationen zu den Filmen, wobei mit ironischem
Gestus für jeden Film ein Zitat des für seine apodiktischen "Wir raten
ab"-Bewertungen berüchtigten "Lexikon des Internationalen Films"
mitgeliefert wird. So erfahren wir etwa über GENTLEMAN JO … UCCIDI, dass
dies ein "brutaler Eurowestern voller Klischees" sei, und an ROY COLT
E WINCHESTER JACK werden die "üblichen Schlägereien, (der) ordinäre Dialog
und aufgesetzte Sexszenen" moniert. So erscheint, was einmal als Verriss
intendiert war, heute als Ausweis der typischen Genrestilistik und prägnante
Werbeformel. Auf ein Booklet wurde leider verzichtet. Auch sonst herrscht im
Inneren der Sammlerbox die Beschränkung aufs Funktionale vor. Sei's drum –
Verpackungsfetischismus ist sowieso eine Degenerationserscheinung des Fandoms,
und letztlich zählen die inneren Werte. Die sind hier zwar etwas wechselhaft,
einen Blick wert sind aber alle vier Filme, die jeder für sich – und mit allen
ihren Qualitäten, aber auch Unzulänglichkeiten – typisch für die
Serienproduktion Cinecittàs in dieser Ära sind.
Epigonentum:
GENTLEMAN JO … UCCIDI von Giorgio Stegani
Da ist etwa Giorgio Steganis
GENTLEMAN JO … UCCIDI (SHAMANGO), der älteste der in der Box
untergebrachten Filme, der in Italien am 14. August 1967 uraufgeführt wurde (in
der BRD: 29. März 1968). Steganis im anglophonen Ausland auch unter den Titel
GENTLEMAN JOE oder GENTLEMAN KILLER bekannter Film ist von allen vier Western
am deutlichsten der von Leone mit PER UN PUGNO DI DOLLARI (FÜR EINE HANDVOLL
DOLLAR) drei Jahre zuvor etablierten Formel verpflichtet. Schon die ersten
Bilder zitieren eine zu diesem Zeitpunkt längst ikonografisch gewordene
Einstellung des Subgenres, die Leone mehrfach in seinen Filmen einsetzte und
die den Western all'italiana deutlich
von seinem US-amerikanischen Verwandten absetzt: In einer subjektiven
Einstellung fotografiert flieht ein Mann in die Tiefe des
Techniscope-Bildkaders und wird sogleich durch den Protagonisten, dessen
Perspektive dem Publikum durch die Point-of-View-Kamera aufgezwungen ist, in
den Rücken geschossen. Auch sonst arbeitet sich GENTLEMAN JO … UCCIDI
geradezu pflichtschuldig an der vertrauten Stilistik des Genres ab: Immer
wieder sucht die agile Kamera subjektive Perspektiven, mitunter wird auf eine
handgeführte Kamera zurückgegriffen, Großaufnahmen von übernahe an die Kamera
gerückten Gesichtern werden ausgestellt. Einzelne Szenen geraten gar zur
parodistischen Anrufung der vertrauten Motive, etwa wenn die Kamera in einem
langen Schwenk nacheinander die herumlümmelnden Mitglieder einer Banditengruppe
einfängt, wobei jeder der Männer einen anderen nervösen Tick an den Tag legt,
der die Aufmerksamkeit zusätzlich auf sein verwildertes Gesichter lenkt: Einer
kratzt sich den Bart, ein anderer zerkaut seinen Zigarillo, der nächste wischt
sich den Schweiß von der Stirn und wieder ein anderer wedelt sich mit einem
Holzfächer Luft zu.
Die Handlung dieser
italienisch-spanischen Koproduktion war allerdings bereits 1967 allzu vertraut,
um noch Interesse zu wecken und kreuzt recht vorhersehbar die aus PER UN PUGNO
DI DOLLARI vertraute Geschichte von der Ankunft eines Trickster-Helden (hier:
Anthony Steffen aka Antonio De Teffè als "Gentleman Jo") in einer von
Mexikanern und US-Amerikanern umkämpften Grenzstadt mit den unzähligen
Vendetta-Varianten, die der Erfolg von Corbuccis DJANGO (1966) nach sich zog.
Der hier gegen sein Image besetzte Steffen gibt seinen Glückspieler als leicht
affektierten Dandy, der glattrasiert und im weißen Rüschenhemd mit steifem Gang
durch die Sets stolziert und mitunter an den jungen Roger Moore erinnert.
Einige Szenen von Steganis Film wirken ausgestellt theatralisch, andere
gemahnen in ihrer Reduktion an die japanischen Chanbara, wieder andere, etwa
die Szenen mit der Dorfbevölkerung, erinnern an eine Gothic-Variante des
Genres. Im Gegensatz zu der zu dieser Zeit erstmals auftretenden
Revolutionsformel des Genres erscheinen die Mexikaner dieses Films
ausschließlich als rassistische Abziehbilder – dreckig-verschwitzte greasers, blutrünstige bandidos und ungebildete peónes allesamt – was den Film zu einer
durchaus reaktionären Variante des Genres macht. Ansonsten setzt sich GENTLEMAN
JO … UCCIDI allenfalls formal von der B-Ware dieser Jahre ab, und nicht
einmal Bruno Nicolais Score wirkt sonderlich inspiriert. Das Finale schlägt
immerhin einen ungewöhnlichen Weg ein: Zum einen muss der Held nach dem
unfreiwilligen Konsum von drei Flaschen Whiskey die letzten 20 Minuten des
Films stockbesoffen bestreiten, zum anderen kommt es letztlich nicht zum
obligatorischen finalen Shootout, da wie in einem US-Serienwestern der 30er
Jahre in letzter Sekunde die Kavallerie einreitet und unseren Helden rettet.
Das zumindest habe ich in einem Italowestern noch nicht gesehen.
Das Bild ist leicht windbowboxed,
aber qualitativ gut. Die Titel sind in Französisch, was nahelegt, dass das
Master auf einer französischen Fassung beruht. Der Ton liegt in Deutsch,
Englisch und Italienisch vor. Auch wenn man den Film in der italienischen
Fassung mit Untertiteln sieht, wechselt der Ton immer wieder zu Englisch, was
darauf zurückzuführen ist, dass der offensichtlich ungekürzte Film aus
verschiedenen internationalen Versionen rekonstruiert wurde. Die Extras sind
wie bei den anderen Filmen der Box überschaubar, aber völlig angemessen: ein
kurzes Feature, in dem der Filmjournalist Antonio Tentori Hintergrundinfos zu
dem Film referiert, deutscher Trailer und Vorspann sowie eine Bildergalerie.
DVD-Informationen:
Titel: SHAMANGO
Originaltitel: Gentleman Jo … uccidi
Anbieter: Koch Media
Produktionsland/-jahr: Italien, Spanien 1967
Regie: Giorgio Stegani
Laufzeit: 93 Minuten
Bild: 2,12:1 PAL anamorph
Ton: Deutsch DD 2.0; Englisch DD 2.0; Italienisch DD 2.0
Untertitel: Deutsch
Extras: Featurette "Shamango tötet sie alle" (6 Minuten); Deutsche Vorspannsequenz (2 Minuten); deutscher Trailer (3 Minuten); Bildergalerie
Trickstertales:
… E PER TETTO UN CIELO DI STELLE von Giulio Petroni
Einen Trickster spielt auch Giuliano
Gemma in Giulio Petronis … E PER TETTO UN CIELO DI STELLE, der im Jahr darauf
als rein italienische Produktion entstand. Seine zwischen Melancholie und
Slapstick-Humor oszillierende Tonalität setzt den Film allerdings deutlich von
den frühen Varianten des Genres ab und erinnert, auch durch die Besetzung Mario
Adorfs als dümmlichem Bergmann, der widerwillig eine Partnerschaft mit dem
umtriebigen Gemma-Protagonisten eingeht, an die von Giuseppe Colizzi etwa
zeitgleich etablierte Variante des Western
comico mit dem Erfolgsgespann Bud Spencer und Terence Hill. Der
Alternativtitel AMIGOS – DIE (B)ENGEL LASSEN GRÜSSEN schlägt in eben diese
Kerbe, auch wenn die deutsche Synchronfassung angenehm seriös ausgefallen ist.
Während Adorf als Räuber-Hotzenplotz-Lookalike mit Feder am Hut ebenso
einfältig wie naiv durch dieses Westernschelmenstück stapft, da gibt Gemma
seinen lose an "Billy the Kid" angelehnten Billy Boy als Hansdampf in
allen Gassen, als ebenso verfressenen wie keinem amourösen Abenteuer
abgeneigten Taugenichts, der mit einer Gruppe Schausteller durch den Westen
zieht und eine falsche Meerjungfrau (Julie Menard) ausstellt. Als beide einmal
dringend Geld brauchen, muss Adorf als menschlicher Salamander auftreten und
darf Feuer spucken. Der von Federico Boido gespielte Schurke agiert wie eine
Art Springteufel, der immer wieder unvermittelt in der Szenerie auftritt, um
die episodische Handlung voranzutreiben. In einem kurzen Gastauftritt zeigt der
britische Schauspieler Anthony M. Dawson als sadistischer Banditenvater, wie
man mit einem nagelbesetzten Brett eine attraktive junge Dame zum Reden bringt
– autsch!
Überhaupt enthält Petronis Film, der
überwiegend als Serie von Tit-for-Tat-Momenten angelegt ist, bei denen sich die
beiden Buddies gegenseitig übers Ohr hauen, einige Grausamkeiten, die im
merkwürdigen Kontrast zu den eher leichten und humorvollen Sequenzen stehen. Zu
den Höhepunkten des durchaus unterhaltsamen und exzellent ausgestatteten Films
zählen das von Ennio Morricones wunderbarer Musik begleitete wortlose Begräbnis
während des Prologs und ein Auftritt von Magda Konopka als lüsterne Witwe. Am
Ende sind unsere Helden der traurigen Gestalt weder reich noch erfolgreich
durch ihre Betrügereien geworden, und so bleibt ihnen nur "als Bett ein
Himmel voller Sterne", wie der ungewohnt poetische Originaltitel
verspricht (auch nicht besser als ein Bett im Kornfeld, mag man meinen).
Petronis Film ist mit weitem Abstand
der am aufwendigsten inszenierte und qualitativ auch der beste der vier Filme –
mit einem guten Händchen für attraktive Locations, innovative Sets und
ungewöhnliche Kostüme. Der Humor mag zwar gewöhnungsbedürftig sein, aber neben
hemmungslos albernen Szenen gelingen Petroni und seinen beiden Hauptdarstellern
auch einige wirklich lustige Momente. So erweist sich … E PER TETTO UN
CIELO DI STELLE zwar als bei weitem nicht der beste Film Petronis, angesichts
seines eher schlechten Rufs in den üblichen Nachschlagewerken jedoch als
angenehme Überraschung. Mit der Ausstattung der DVD tragen die DVD-Produzenten
dieser Qualität Rechnung: Mit zwei Features, drei Trailern und zwei
alternativen Vorspannsequenzen zusätzlich zur obligatorischen Bildergalerie ist
dies der am reichhaltigsten ausgestattete Film der Box.
DVD-Informationen:
Titel: AMIGOS
Originaltitel: … e per tetto un cielo
di stelle
Anbieter: Koch
Media
Produktionsland/-jahr: Italien 1968
Regie: Giulio Petroni
Laufzeit: 93
Minuten
Bild: 2,16:1
PAL anamorph
Ton: Deutsch DD 2.0; Englisch
DD 2.0; Italienisch DD 2.0
Untertitel:
Deutsch
Extras: Featurette
"Ein Mann der Tat" (9 Minuten); Featurette "Und als Dach ein
besternter Himmel" (12 Minuten); Deutsche Vorspannsequenz (2 Minuten); deutscher,
italienischer und englischer Trailer (je 3 Minuten); Bildergalerie
Giallo-Western: I VIGLIACCHI NON PREGANO von Mario Siciliano
Prominenz vor und hinter der Kamera
bietet auch Mario Sicilianos I VIGLIACCHI NON PREGANO, der SARTANA-Darsteller
Gianni Garko (= Giovanni Garcovich) und Ivan Rassimov in den Hauptrollen
gegeneinander antreten lässt. Als Koautor neben Regisseur Siciliano fungierte
der für seine Gialli berühmte
Drehbuchautor Ernesto Gastaldi. Und tatsächlich beginnt die
italienisch-spanische Koproduktion mit einer stimmungsvoll inszenierten
Sequenz, die ästhetisch an einen Giallo
oder einen Gothic-Horrorfilm erinnert, wenn der ehemalige Konföderierten-Soldat
Bryan Clarke (Garko) nach dem Ende des Krieges in einer pechschwarzen
Regennacht Besuch von einem Trupp Nordstaatensoldaten bekommt, der seine Frau
vergewaltigt und anschließend ermordet. Siciliano und Gastaldi beschwören hier
die vertraute Sympathie des Italowestern für die Südstaaten – nicht in dem
Sinn, dass die alte Sklavenhaltergesellschaft verklärt wird, sondern
dahingehend, dass die marodierende Soldateska der Nordstaaten zur Allegorie für
die Ausbeutung des Mezzogiorno, des italienischen Südens, durch
Besatzungsmächte und den reichen Norden umgedeutet wird. Danach ist für unseren
zum Eastwood-Lookalike zurechtgemachten Helden die Welt nur noch "un posto
tristo e desolato" ("ein böser, von Gott verlassener Ort") und, wie
kaum anders zu erwarten, erscheint ihm Blutrache als einzige Handlungsoption.
Zur Seite steht ihm dabei zunächst Ivan Rassimov, der Garkos Protagonisten
rettet, sich aber über den Lauf des Films von seinem zusehends verrohenden
Freund lossagt, bis, ebenfalls nicht sonderlich überraschend, am Ende beide
gegeneinander antreten. Was diesen durchaus kompetent inszenierten, allerdings
mit 114 Minuten Laufzeit arg lang ausgefallenen und stilistisch deutlich an
Leone orientierten Western von vielen Vertretern seines Genres unterscheidet,
ist der überladene Plot, der trotz epischem Thema nur wenig involviert. Während
in den Gialli Gastaldis Neigung zu
verwirrenden Subplots und Twists die an Logik desinteressierte
Mystery-Erzählung bestens unterstützt, da erscheint die eigentlich simple
Geschichte dieses Western nur unnötig verkompliziert.
Nichtsdestotrotz überrascht I VIGLIACCHI NON PREGANO zumindest passagenweise mit interessanten Variationen der Standardszenen des Genres. Da ist etwa eine surreale Sequenz, in der wie aus dem Nichts ein Priester in einer scheinbar verlassenen Kirche auftritt und die Protagonisten mit einer Predigt verjagt (merke: Schweinehunde beten nicht!). Oder die irrwitzigen Variationen der typischen Mann-gegen-Mann-Duellsituation. Die wird hier mal im Dunkeln abgehandelt, wobei die Gegner einander nur an der Glut ihrer Zigarren erkennen, dann als eine Art Ritterturnier absolviert, wobei die Opponenten aufeinander zureiten und dabei statt sich mit Lanzen zu attackieren, aufeinander schießen. Oder das Duell erfolgt – um weiter in der Analogie zur mittelalterlichen Raubritterballade zu bleiben – gleich als Gottesurteil, das mit zwei Revolvern, elf Platzpatronen und einer echten Kugel durchgeführt wird. Die Musik von Manuel Parada greift im ambitionierten Titoli unter anderem auf einen Kinderchor und Cembalo zurück, hebt den als Abfolge von Shootouts, Prügeleien, Folterszenen und Duellen strukturierten und vorhersehbaren Terza-visione-Western allerdings auch nicht über das gute Mittelfeld hinaus.
Bildtechnisch ist an der DVD kaum
etwas auszusetzen, auch wenn einige leichte Bildschäden vorhanden sind, die dem
Film in einer Videoprojektion den Charme einer gut erhaltenen 35-mm-Kopie
verleihen. Wer eine deutsche Tonspur bevorzugt, kann eine vergleichsweise
seriöse Synchronisation genießen, die auf Rainer-Brandt-Kalauer verzichtet.
Einziger Wermutstropfen sind die Untertitel, die wie bei allen vier Filme
löblicherweise keine Dubtitles, hier jedoch sehr schlampig ausgefallen sind und
einige Stilblüten enthalten ("Wo hast du denn diesen entfesselten Typen
aufgetrieben?"; "Sie sind ein exaltierter Mann!" etc.).
DVD-Informationen:
Titel: SCHWEINEHUNDE
BETEN NICHT
Originaltitel: I vigliacchi non
pregano
Anbieter: Koch
Media
Produktionsland/-jahr: Italien, Spanien 1969
Regie: Mario Siciliano
Laufzeit: 114
Minuten
Bild: 1,84:1
PAL anamorph
Ton: Deutsch DD 2.0; Englisch
DD 2.0; Italienisch DD 2.0
Untertitel: Deutsch,
Englisch
Extras: Featurette
"Die schnellste Feder des Westens" (15 Minuten); Featurette
"Kein Geben für einen Feigling" (7 Minuten); deutscher und englischer
Trailer (je 3 Minuten); Bildergalerie
Von
den Rändern des Genres: ROY COLT E WINCHESTER JACK von Mario Bava
Der sicherlich untypischste Beitrag
zum Genre in dieser Zusammenstellung ist Mario Bavas Comedy-Western ROY COLT E
WINCHESTER JACK, dessen Reize sich vermutlich dem Gros der Zuschauer entziehen
dürften. Tatsächlich beinhaltet diese rein italienische Produktion einige
dümmliche Komikeinlagen, unpassende Witzchen über Verdauungsvorgänge und einen
uninspiriert vor sich hin dudelnden Score von Piero Umiliani, der selbst vor
Mickey-Mousing nicht zurückschreckt und überhaupt eine Zumutung ist. Der Plot
und die Protagonisten sind ganz offensichtlich von George Roy Hills BUTCH
CASSIDY AND THE SUNDANCE KID (BUTCH CASSIDY UND SUNDANCE KID; 1969) inspiriert,
wobei das Verhältnis der beiden titelgebenden, von Brett Halsey und Charles
Southwood (kein Pseudonym!) gespielten Helden wie eine leicht homoerotisch
eingefärbte Hippie-Variante des Klassikers wirkt. Marilù Tolo als Prostituierte
mit dem Herz am rechten Fleck spielt das gemeinsame Love-Interest der beiden
Streuner und ist trotz aller Stereotypisierung eine der wenigen starken
Frauenfiguren des Genres.
Von den drei Western, die Bava
inszeniert hat – die beiden anderen sind LA STRADA PER FORT ALAMO (DER RITT
NACH ALAMO; 1964) und RINGO DEL NEBRASKA (NEBRASKA JIM; 1966; Ko-Regie: Antonio
Román) – weist ROY COLT E WINCHESTER JACK am deutlichsten die Handschrift des
Meisters der Low-budget-Fantasy und des Gothic-Horrors auf. So zeichnet sich
der Film durch eine ökonomische, aber effektive Kameraarbeit aus, eine Tendenz
zu langen Einstellungen, vereinzelt kommen Reiß-Zooms und Fischauge zum
Einsatz, auch auf wabernden Kunstnebel, optische Tricks, Miniaturen und
offensichtliche Kulissen wie Kakteen-Cut-outs im Bildvordergrund verzichtet
Bava nicht. Zu den Merkwürdigkeiten dieses Billigwesterns zählen des Weiteren
eine ganz offensichtlich getrickste und am Monument Valley angelehnte
Tafelfelsenlandschaft am Meer (!), der Auftritt einer gotterbärmlich künstlich
wirkenden Plastikschlange und der größte Schlafsack, der je in einem Western zu
sehen war. Eine burlesk übertriebe Szene in einem Bordell atmet die Klasse
eines viertklassigen italienischen Bauernschwanks und ist eigentlich nicht
nüchtern zu ertragen. Auch die Außenaufnahmen, die nicht in Spanien, sondern in
der Gemeinde Manziana in der Provinz Rom entstanden und eine gänzlich
westernuntypische Landschaft präsentieren, tragen dazu bei, dass ROY COLT E
WINCHESTER JACK bisweilen wie ein Western auf dem Mars wirkt. Wer dem Ganzen
die Krone aufsetzen möchte, quält sich durch die deutsche Blödelsynchro, die
unbedingt zu vermeiden ist, aber im Kontext, dass Charles Southwood als
Winchester Jack äußerlich an den jungen Sascha Hehn erinnert, doppelt effektiv
ist. Kurz: Dieser sehr alberne, äußerst unkonzentrierte, aber visuell
ansprechende Comic-Western hat seinen schlechten Ruf durchaus verdient, mit der
richtigen Einstellung unterhält er aber bestens.
Die Bildqualität des Films fällt im
Vergleich zu den anderen Werken der Box etwas ab, wobei insbesondere der hohe
Kontrast auffällt. Nach 36 Minuten Laufzeit erscheint in der Mitte des Films
eine Schrifttafel "Ende erster Teil", worauf sogleich der "2.
Teil" des Films beginnt. Eine solche "Intermission", in
Deutschland eher von aufwendigen Großproduktionen bekannt, erfolgt in
italienischen Kinos üblicherweise bei allen Vorführungen, was darauf schließen
lässt, dass als Vorlage für das DVD-Master eine italienische Positivkopie
gedient hat. Bavas Genrebeitrag kommt als einziger Film der Box ohne Trailer
und englischem Ton daher, in der enthaltenen Kurzdoku kommt aber immerhin Bavas
Sohn Lamberto zu Wort.
Alle Filme dieser
"Italowestern-Enzyklopädie" liegen in rekonstruierten Langfassungen
vor und dürften aktuell weltweit die beste Heimkinoversion dieser Werke
darstellen. Die erste Ausgabe der "Italowestern-Enzyklopädie" ist
sicherlich keine Box, die man auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen
mag, aber insgesamt eine hochwillkommene Ergänzung jeder ernsthaften
Eurowesternsammlung. Gerne mehr davon!
DVD-Informationen:
Titel: DREI HALUNKEN UND
EIN HALLELUJA
Originaltitel: Roy Colt e Winchester
Jack
Anbieter: Koch
Media
Produktionsland/-jahr: Italien 1970
Regie: Mario Bava
Laufzeit: 82
Minuten
Bild: 1,84:1
PAL anamorph
Ton: Deutsch DD 2.0; Italienisch
DD 2.0
Untertitel: Deutsch,
Englisch
Extras: Featurette
"Bava Colt & Winchester Tentori" (10 Minuten); Bildergalerie
Dieser Text ist zuerst erschienen in
"Splatting Image", Heft 94 (Juni 2013)
Und hier einige Trailer und Ausschitte aus den Filmen via Youtube:
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